Wanderung in Schweiz / Tessin am 11. August 2017

Via Alta della Verzasca / Etappen 3 & 4

Mit dabei: Alexander M., Danny L.

Komplettierung der Via Alta Della Verzasca mit der 3. und 4. Etappe

Lange war die „Via alta della Verzasca“ (VAV) die „Unvollendete“ für mich; seitdem ich 2009 die ersten beiden der vier Etappen absolvieren durfte und davon echt begeistert war, schlummerte die Vollendung immer irgendwo in meinem Hinterkopf. Aufgrund eines Kälteeinbruches Mitte August müssen Danny und ich die geplante Tour auf die Dent Blanche absagen – und so entsteht ziemlich spontan die Idee, ins Verzascatal zu reisen.

Freitag

Als wir am Freitag ins Tessin fahren, erwartet uns noch nasskaltes Wetter. Für den Nachmittag sollte sich der Regen jedoch einstellen, und so fahren wir frohen Mutes mit dem Postauto zuhinterst ins Verzascatal, nach Sonogno.

Noch alles nass und grau, als wir das Postauto nach Sonogno betreten

Der Regen hat noch nicht aufgehört, deshalb machen wir noch einen kurzen Dorfrundgang und kehren ein, bevor wir uns an den Aufstieg zur Capanna Barone machen.

Kurzer Augenschein in Sonogno

Endlich lockern die Wolken etwas auf, und wir können einige Blicke auf die Bergspitzen erhaschen – dort hat es tatsächlich runtergeschneit. Wir wissen aber, dass sich für Samstag und Sonntag gutes Wetter ankündigt und starten so motiviert auf unsere Tour.

Von Sonogno folgen wir der Fahrstrasse ins Val Vegorness, vorbei an der hübschen Siedlung Cabiói, hoch zur Alp Corte di Fondo. Nun steilt es etwas auf, und nach einiger Zeit erreichen wir die Alp Piodoo, welche zu dieser Jahreszeit bestossen ist. Die Hirten sind gerade daran, die Kühe im Melkstand zu melken. Den Kühen steht der Frust ob des trüben Wetters buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Hübsches Cabiói

Von der Alp Piodoo ist es nicht mehr weit, und oben am Hang erblicken wir bereits die Capanna Barone. Nun die Frage: Ist alles kalt und leer, oder hat wohl schon jemand eingeheizt?

Als wir die Hütte betreten, kommt uns bereits ein feiner Geruch von Abendessen entgegen – ein Westschweizer Paar hat es sich bereits gemütlich gemacht, und so müssen wir uns nicht ums Einfeuern kümmern. Wir kochen uns auch etwas Währschaftes, und lassen es uns gut gehen.

Im Laufe des Abends klärt der Himmel etwas auf, und wir freuen uns auf die Etappe des nächsten Tages. Geplant ist, früh zu starten, gleich die 4. und die 3. Etappe an einem Tag zu absolvieren und am Abend in der Capanna Efra zu übernachten.

Abend auf der Capanna Barone – es klärt auf

Samstag

Wir starten noch vor dem Tagesanbruch und wandern los auf dem weiss-blau-weiss-markierten Weg. Dieser verläuft immer in der Südflanke, unterhalb des Pizzo di Piancoi, Pizzo della Bedéia, Pizzo Campale und des Pizzo del Laghetto, und geht mal ein paar Meter rauf, und wieder ein paar Meter runter. Unterdessen ist es Tag geworden, und die mit Schnee bedeckten Gipfel des Valle Verzasca werden von der Sonne beschienen.

Corona di Redòrta im Morgenlicht

 

Typisches Gelände auf der 4. Etappe der VAV

Beim Passo di Piatto legen wir nur eine kurze Pause ein – es weht ein kalter Wind aus dem Val Chironico. Hier sind bereits etwa zwei Drittel der Wegstrecke zur Capanna Cognora geschafft.

Blick vom Passo di Piatto zum Laghetto im Val Chironico

In der Capanna Cognora stärken wir uns nochmals mit einem Kaffee, bevor wir uns an den Aufstieg zum Pizzo di Mezzodì machen. Auch die Capannna Cognora ist eine mit viel Liebe hergerichtete Selbstversorgerhütte, in der wir gerne noch etwas länger verweilt wären.

Blick hinunter nach Sonogno

Der Aufstieg in Richtung Pizzo di Mezzodì verläuft zuerst durch Heidelbeersträucher, doch bald einmal wird es steiniger – und immer weisser: Ab ca. 2500m liegt frischer Schnee, und je weiter wir steigen, desto mehr Schnee liegt da. Wir kommen aber weiterhin gut voran, können einer Spur eines Vorgehers folgen und stehen bald darauf auf dem Gipfel des Pizzo di Mezzodì auf über 2700m. Es weht ein kalter Wind, und irgendwie ist das Wetter weniger sonnig als prognostiziert und erwartet – es hängt eine hartnäckige hohe Wolkendecke über dem Nordtessin.

Aufstieg zum Pizzo di Mezzodì – hier noch ohne Schnee

 

Schnee bis auf 2500m im August

Vom Gipfel steigen wir einige Meter zurück und halten dann Richtung Süden zur Bocchetta di Cramosino und in Richtung Madom Gröss, unserem nächsten Ziel. Die Route verläuft zuerst auf dem flachen, plattigen Grat, weicht dann ein paar Male nach SW aus, und gelangt dann wieder auf den Grat. Nun wandern wir auf der Gratschneide, auf grossen Steinplatten, dem Madom Gröss entgegen.

Typisches Gratgelände auf der VAV

Noch bevor die Steilflanke erreicht wird, gilt es ein paar Erhebungen um Grat zu übersteigen. Hier gilt es dann auch, die Hände aus dem Hosensack zu nehmen und sich an den Felsen und Metallgriffen festzuhalten. Auf der letzten Erhebung stehen wir plötzlich vor einem steilen, schneebedeckten Abhang und sind blockiert. Irgendwie haben wir kein gutes Gefühl, hier weiterzusteigen, und überlegen uns umzukehren. Technisch nicht schwierig, aber die 10-20 Meter Abstieg durch die feuchte, mit Schnee bedeckte Halde, die unten abbricht und praktisch keine Haltemöglichkeiten bietet, sind uns nicht geheuer. So kehren wir halt um, wandern auf demselben Weg zurück zum Pizzo di Mezzodì und zur Capanna Cognora.

Hier ist heute Schluss für uns

Nun haben wir nochmals die Möglichkeit, die Vorzüge dieser tollen Hütte zu geniessen. Wir verbringen den Rest des Tages an der Sonne und freuen uns über das Wetter, das nun doch noch besser geworden ist.

Tolle Aussicht von der Capanna Cognora ins Val Vegorness

 

Selbstversorgerhüttenromantik

 

Abendstimmung auf der Capanna Cognora

 

Hier könnte man bleiben wollen

Am Abend ist die Gruppe der Leute auf der Hütte noch etwas angewachsen, und in Gruppen kochen wir unser Abendessen in der formidabel eingerichteten Küche.

Sonntag

Am nächsten Morgen stehen wir wieder beizeiten auf, bereiten unser Frühstück zu, und machen uns auf denselben Weg, den wir schon gestern eingeschlagen hatten: Wieder hoch zum Pizzo di Mezzodì (diesmal ohne Gipfel), und weiter über den Grat in Richtung Madom Gröss. Unterdessen ist der Schnee geschmolzen und der Abstieg am gestrigen Umkehrpunkt bereitet keine Mühe mehr – ja erscheint gar als leicht, und im Nachhinein wundern wir uns, wieso wir uns das gestern nicht zugetraut hatten. Aber bei der Risikobewältigung zählt ja die Einschätzung im Moment, und nicht die verzerrte Wahrnehmung im Nachhinein.

Wieder auf dem Grat – heute bei idealen Verhältnissen

Nun folgt der spannendste Teil der Tour: Der Aufstieg durch die ca. Ostflanke des Madom Gröss stellt die Schlüsselstelle der 3. Etappe der VAV dar und ist mit T5 taxiert. Es sind an allen kritischen Stellen Versicherungen (Haltegriffe, Ketten) vorhanden. Das grösste Risiko stellt hier wohl der Steinschlag dar. Wir sind froh, früh unterwegs und als kleine Gruppe unterwegs zu sein. Viel zu schnell ist der Spass aber vorbei, und wir stehen kurz vor dem Gipfel des Madom Gröss.

Aufstieg zum Madom Gröss

 

Blick vom Madom Gröss übers Val Vegorness in die Berner Alpen, inkl. Finsteraarhorn und Lauteraar-/Schreckhorn

Auf dem Gipfel ruhen wir uns etwas aus, und steigen dann bald schon mal weiter zum Pizzo Cramosino. Nun geht es erstmal wieder einige Meter nach unten, dann etwas geradeaus, und schliesslich wieder hoch zum Gipfelkreuz. Auch hier gibt es einige spannende Stellen zu bewältigen, die allesamt gut entschärft sind (T4).

Vom Pizzo Cramosino auf 2718m geht’s nun theoretisch nur noch abwärts, bis nach Frasco auf 880m. Zuerst über plattiges Gelände bis auf etwa 2500, dann in ein paar Kehren und steilem Gras zum P.2148 (Weggabelung, die zum Rif. Alpe Costa führt), und schliesslich geradeaus, und eben doch nochmals etwas hoch, via Furnà bis zur Capanna Efra, welche wir zur Mittagszeit erreichen.

Von Furnà zur Capanna Efra und dem malerisch gelegenen Lago d’Efra

 

Stärkung auf der Capanna Efra vor toller Kulisse

Hier verpflegen wir uns nochmals ausgiebig, und starten dann den langen Abstieg nach Frasco, vorbei am malerischen Lago d’Efra, der Alpe d’Efra und den vielen wunderschönen Stellen entlang des Riale d’Efra im Val d’Efra, bis wir schliesslich das kleine Dörfchen Frasco erreichen. Hier suchen wir vergebens nach einer Einkehrmöglichkeit, erfrischen uns stattdessen am Dorfbrunnen und warten auf das nächste Postauto, dass uns talauswärts bringen wird.

Am Lago d’Efra

Rückblickend waren dies drei tolle Wandertage im Valle Verzasca, die viele schöne Erinnerungen wachgeruft und bei mir Lust gemacht haben, bald wieder einmal diese wilden Alpen und toll eingerichteten Selbstversorgerhütten zu besuchen.

Karte