Hochtour in Italien / Schweiz / Valle d'Aosta / Wallis am 16. August 2011

Walliser Grenzkamm-Tour (12 x 4000)

Mit dabei: Alexander M., Jochen H., Sabine K.

Das Walliser Dorf Zermatt liegt zuhinterst in einem Talkessel, welcher von zahlreichen hohen Bergen umschlossen ist. Sie stellen nicht nur den Talabschluss dar, sondern sind zugleich auch die Grenze zwischen der Schweiz und Italien. Bergführer bieten oftmals so genannte Spaghetti-Touren an: Innerhalb von einigen Tagen besteigt man bis zu vierzehn Viertausender auf dem Grenzkamm und übernachtet zwischendurch in den italienischen Hütten, wo es zum Nachtessen natürlich Pasta zu essen gibt – daher der Name. Eine solche Tour schwebte mir schon länger vor Augen, doch wollte ich dafür nicht einen Bergführer in Anspruch nehmen. Stattdessen habe ich auf gipfelbuch.ch nach Tourenpartnern gesucht, und bin in Sabine K. und Jochen H. fündig geworden. Mein Dank geht an die beiden tollen Seilpartner, mit denen ich eine erlebnisreiche Woche im Hochgebirge verbringen durfte.

Tag 0: Anreise

Anfahrt mit dem Zug nach Zermatt und weiter mit der Seilbahn bis zum Klein Matterhorn. Dort beziehen wir unser Nachtlager in der Bergsteiger-Lodge.

Tag 1: Pollux und Castor (ZS-, III)

Start um 5 Uhr über das Breithornplateau und den Breithornpass zum Schwarztor. Von dort steigen wir durch das steile Couloir auf der W-Seite des Pollux hoch zu den Fixseilen (gute Tritte vorhanden). Entlang den fixen Seilen klettern wir hoch bis zur Madonna auf dem Vorgipfel. Von dort weiter über den Schneegrat bis zum Gipfel. Der Abstieg erfolgt über die Ostseite; nach dem Gipfel gelangt man zu einem steilen Firnfeld, über welches wir in einem Bogen nach Norden absteigen (wenige Trittspuren). Besser ist es wohl, man hält sich am Grat und holt nicht zu fest aus. In leichter Kletterei gelangen wir runter zum Zwillingsjoch. Von dort steigen wir durch die Westflanke hoch zum Gipfelgrat des Castor – es sind schon einige Seilschaften auf der ausgeprägten Spur unterwegs. Über den schmalen Grat erreichen wir bald den Gipfel und geniessen die prächtige Aussicht. Weiter führt unsere Route über den Grat nach Osten, welcher zum Felikjoch führt. Von dort auf der breiten Spur runter zur Capanna Quintino Sella, die bald im Nebel versinkt. Später reisst der Himmel wieder auf und wir blicken hoch zum Liskamm, welchen wir morgen zu überschreiten gedenken.

Tag 2: Auf Messers Schneide: Liskamm-Überschreitung (ZS)

Start wiederum um ca. 5 Uhr. Zügig steigen wir wieder hoch zum Felikhorn und gehen weiter Richtung Liskamm Westgipfel. Führt die Spur anfänglich noch über einen breiten Firnrücken, wird der Grat nun plötzlich schmal und das Gelände steilt auf. Die letzten Meter hoch zum Gipfelgrat weisen eine beträchtliche Steilheit auf – gute Tritte erleichtern das Aufsteigen jedoch. Aus meiner Sicht verdient die Route zum Westgipfel für diese Passage ein WS+. Bald ist der Liskamm Westgipfel erreicht – die Überschreitung zum Ostgipfel kann beginnen. Die Pulsfrequenz steigt an – nicht nur aufgrund der dünnen Luft. Wir treffen auf dem Verbindungsgrat fast perfekte Verhältnisse an: Der Schnee ist fest und nicht eisig, die Trittspuren gut. Nun ist Konzentration angesagt – es gilt, einen Fuss vor den anderen zu setzen und sich nicht von den gewaltigen Tiefblicken aus der Ruhe bringen zu lassen. Nach einigen Kletterpassagen und spannenden Gratabschnitten wird der Grat zunehmend breiter und gipfelt schlussendlich in den Liskamm Ostgipfel. Den Abstieg vom Ostgipfel zum Lisjoch ‚kenne‘ ich schon von der traumhaften Tour mit Andi und Marcel im Juli 2010. Diesmal präsentiert sich der messerscharfe Grat von der besten Seite – die Spur führt meist etwas unter der Gratlinie hindurch, sodass man den Pickel als Stütze einsetzen kann und nur kürzere Passagen ‚balancieren‘ muss. Als wir im Lisjoch ankommen, ist es 09.30 Uhr – was anfangen mit dem restlichen Tag? Da bieten sich das Balmenhorn und die Vincentpyramide an – zwei Gipfel, die man auf dem Weg zur Capanna Gnifetti gut ‚mitnehmen‘ kann. Wobei die Legitimität des Balmenhorns als eigenständiger Gipfel aufgrund der niedrigen Schartenhöhe in Frage gestellt werden kann. Der felsige Gipfel des Balmenhorns (mit riesiger Jesus-Statue und einem leicht nach Urin riechenden Biwak) bietet sich als Rastplatz mit grandioser Rundumsicht an – vor allem, wenn es windstill ist wie heute. Die Vincentpyramide ist vom Balmenhorn schnell erreicht. Da die Zeit noch immer nicht fortgeschritten ist, wollen wir noch weiter bis zum Giordanispitz. Dieses der Vincentpyramide vorgelagerte Gipfelchen scheint einfach zu erreichen zu sein. Schliesslich stellt sich das ganze als mühsame Abkletterei hinaus, welche viel Zeit beansprucht (gem. Führer ein 2a, für uns bei schlechter Routenfindung im Abklettern sehr mühsam). Unterdessen steigt die Bewölkung im Süden stetig, sodass wir plötzlich im Nebel hocken. Eine objektiv sichere Route rüber zur Cap. Gnifetti lässt sich nicht ausmachen (schwache Wegspuren und eine Markierungsstange sind zu sehen, jedoch scheint diese Route akut durch Steinschlag bedroht) – so steigen wir den Spuren entlang Richtung Punta Indren ab und erreichen schliesslich den Hüttenzustieg zur Cap. Mantova. Die 400Hm Gegenanstieg zur Cap. Gnifetti ist nicht gerade das, was wir nach 11h noch brauchen ;-) Trotzdem: Ein unvergesslicher Tag!

Tag 3: Über die fünf Berge zur Cap. Margherita (WS)

Start diesmal um 05.30, da schon beim Morgenessen Stau entsteht. Dieser zieht sich weiter, als wir zusammen mit unzähligen anderen Frühaufstehern von der Cap. Gnifetti in Richtung Lisjoch starten. Schliesslich sind wir aber die einzigen, die zum Corno Nero abzweigen. Dieser neckische Gipfel wird über eine ca. 40° steile Flanke erklommen. Anschliessend geht es weiter zur Ludwigshöhe, die noch einige Meter höher liegt. Von deren Gipfelgrat steigen wir runter vom Piodejoch und von dort auf dem schönen Grat zur Parrotspitze. Diese ist aus meiner Sicht der schönste der zahlreichen Gipfel, die wir heute besuchen. Und immer weiter die beeindruckenden Tiefblicke in die abgrundtiefe Ostwand des Monte Rosa-Massivs. Nun kommt der lange Hatscher hoch zum Colle Gnifetti. Die Höhe macht sich – auch nach mehreren Tagen Akklimatisation – bemerkbar. Vom weitläufigen Colle Gnifetti steigen wir noch hoch zur Zumsteinspitze. Hier wollen wir uns die vorgesehene Route für den kommenden Tag – die Traverse zur Dufourspitze – ansehen. Es ist nun bald Mittag, und noch immer kämpft sich eine Seilschaft den Grat zum Grenzgipfel hoch…

Nach ausgiebiger Rast gehts zurück zum Colle Gnifetti und hoch zur Signalkuppe, unserem heutigen Tagesziel. Dort oben steht ja bekanntlich die Capanna Regina Margherita, auch Kopfweh-Schachtel genannt. Die Terrasse auf der Ostseite der Unterkunft bietet den wohl spektakulärsten Balkonblick, den man sich vorstellen kann – hier fühlt man sich wirklich ‚on the top‘. Die Infrastruktur der Hütte, die Bewirtung und das Essen sind aus meiner Sicht einmalig – oder wer erwartet auf über 4500 Metern ein Wi-Fi-Netz und saftige Pouletschenkel? Gegen Abend steigt die Bewölkung – Gewitter sind angesagt. Kurz nach dem eindunkeln gehen diese auch los, und es kracht ‚gfürchig‘ um die Hütte rum. Fällt unsere Tour zur Dufourspitze ins Wasser resp. in den Schnee?

Tag 4: Abstieg über den Grenzgletscher (WS)

Am nächsten Morgen dichter Nebel – nichts mit Dufourspitze also. Nach ausgiebigem Frühstück machen sich die Seilschaften nach und nach auf den Weg nach unten. Als wir ebenfalls absteigen, beginnt sich der Himmel langsam zu öffnen – nur Signalkuppe und Dufourspitze hüllen sich in Wolken. Es weht ein zügiger Wind, doch dies schreckt einige Verwegene nicht davor ab, den Liskamm zu besteigen.

Der Abstieg über den Grenzgletscher ist lang und der Schnee weich. Schliesslich erreichen wir die Neue Monte Rosa-Hütte, wo wir uns ausgiebig verpflegen. Nach einigen hin und her beschliessen meine beiden Tourenpartner, noch eine Nacht in der Hütte zu bleiben (Schlussendlich sind sie am folgenden Tag nochmals 1800Hm zur Dufourspitze hochgestiegen und haben auch das Nordend noch besucht – gratuliere!). Ich steige indes runter zum Gletscher, wandere zum Rotenboden (T4, L) und werde prompt noch verregnet. Nun gehts nach Hause, denn bereits am nächsten Tag solls weitergehen zur Tierberglihütte.

Fazit

Eine unvergessliche Woche in einer einmalig imposanten Umgebung. Einfach toll, dass es mit der Liskamm-Überschreitung geklappt hat. Über die verpasste Dufourspitze tröstet hinweg, dass ich sie in diesem Frühjahr schon mit den Skis besteigen durfte. Das Nordend kann noch warten ;-)

Ausrüstung

Nicht zu viel, nicht zu wenig; zwei Langarm-Shirts, ein Thermoshirt, eine Wärmejacke, eine Windjacke, zwei Paar Handschuhe und die übliche Hochtourenausrüstung.

Verhältnisse

Im Moment herrschen aus meiner Sicht ausgezeichnete Hochtouren-Bedingungen im Monte Rosa-Gebiet. Wir sind nirgends auf Blankeis-Stellen getroffen. Der kühle Juli hat der Region Schnee gebracht, sodass wohl mehr Schnee liegt als im letzten Jahr um diese Zeit. Die Traverse über den ‚Naso‘ (Cap. Sella – Cap. Gnifetti) sah aus der Distanz eher heikel aus.

Karte